Es gibt kaum ein Thema unter Hundehaltern, das so kontrovers und emotional diskutiert wird, wie die Kastration von Hunden und Katzen. Jeder beharrt vehement auf seiner Meinung und rückt keinen Millimeter davon ab. Die Bandbreite der Argumente ist – auch dank der sozialen Medien – sehr vielfältig. Die verbalen Angriffe reichen von „Du bist schuld, wenn Deine unkastrierte Hündin eine Gebärmuttervereiterung bekommt“ bis zu „Kannst Du es verantworten, wenn Dein kastrierter Hund durch einen Milztumor elendig eingeht?“
Aufgewühlte Menschen bekämpfen sich in Hunde- und Katzenforen, stellen ihre Filme auf Youtube und glauben, wer am lautesten brüllt, hat Recht.
Fangen wir ganz ruhig von vorne an. Ob Ihr Euer Tier kastriert oder nicht, ist alleine Eure Entscheidung. Keiner redet Euch rein und Ihr braucht Euch nicht rausreden. Aber nachdenken müsst Ihr unbedingt.
Auslandstierschutz als Ausnahme
Eine ganz große Ausnahme sind die südlichen Länder. Hier gibt es keine Entscheidungsfreiheit, zumindest nicht im Tierschutz. Adoptiert Ihr einen Hund oder eine Katze von einer Tierschutzorganisation in Spanien, Zypern oder beispielsweise Griechenland, sind diese Tiere bereits kastriert. Und das hat seine Gründe.
In diesen Ländern werden Tiere nicht besonders wertgeschätzt. Die Bewohner selbst geben keinen Cent für die Kastration von Hunden oder Katzen aus und die Männer wollen das auch gar nicht. Katzen laufen sowieso immer frei herum und vermehren sich trefflich, reinrassige Hunde werden angeschafft und wieder ausgesetzt oder sie Verschwinden nach dem ersten Schuss auf der Jagd. Unkastriert. Das Problem der vielen Straßenhunde lösen die einzelnen Verwaltungen mit Tötungsstationen. Da sitzen dann die armen Hunde 14 Tage und wenn sich der Besitzer nicht meldet, werden sie eingeschläfert. Katzen werden hochoffiziell vergiftet.
Die Tierschutzorganisationen in diesen Ländern haben nur ein Ziel: Die Reduktion der Anzahl der Tiere. Darum gilt: „Wen wir erwischen, der wird kastriert. Ob Hund oder Katze.“ „TNR“ nennen sich diese Programme für Katzen, „Trap, Neuter, Release“, auf Deutsch „einfangen, kastrieren, freilassen“. Manchmal werden die Tierschützer mit ein wenig Geld von den Regierungen unterstützt, die Betonung liegt auf „ein wenig“.
Auch vernünftige Hundehalter lassen dort ihre Tiere kastrieren, die freilaufenden Hunde sind in ihrem Fortpflanzungstrieb nicht zu unterschätzen. Für Katzenbesitzer und vor allem für die Tierärzte ist die Kastration eine Selbstverständlichkeit. Wer junge Kätzchen möchte, geht in das nächste Tierheim. Dort gibt es genug.
Und wie ist das bei uns in Deutschland?
Unser Tierschutzgesetz ist zwar deutlich, hat aber doch recht viele Ausnahmen.
Der Gesetzestext:
- Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
- Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn
- der Eingriff im Einzelfall
- nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder
- bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen,
- zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.
(Quelle: Bundesministerium für Justiz https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html)
- 1 Absatz 5 sagt ganz deutlich, dass Kastrationen nicht verboten sind, auch wenn viele Videos auf Youtube das Gegenteil behaupten (Dort geht es immer um Hunde.) Nicht verboten bedeutet allerdings nicht geboten.
Katzen kastrieren in Deutschland
Schätzungen zufolge leben in Deutschland etwa 2 Millionen herrenloser Katzen, die sich munter vermehren. Aber auch Katzen mit einem gemütlichen Zuhause und Freigang werden häufig nicht kastriert. Die Population von Katzen steigt und steigt. Die ehrenamtlichen Straßenkatzenvereine kommen nicht mehr hinterher, die Katzen verhungern, erfrieren oder gehen an nicht behandelten Krankheiten oder Verletzungen ein. Katzenseuchen verbreiten sich unkontrolliert. Es zerreißt Tierfreunden das Herz.
Im Juli 2013 wurde unser Tierschutzgesetz um die Erlaubnis für die einzelnen Bundesländer erweitert, eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Katzen einzuführen. Katzen müssen also auch gechippt und registriert werden. Züchter sind davon ausgenommen, müssen allerdings beweisen, dass ihre Katzen eingesperrt sind.
Alle Bundesländer außer Berlin, Hamburg und dem Saarland haben diese Kastrationspflicht eingeführt.
Ein unkastrierter Kater in der Wohnung ist übrigens ein außergewöhnliches Geruchserlebnis. Hat Euer männlicher Katzenmitbewohner mal die gesamte Wohnung markiert, werdet Ihr mit Sicherheit niemanden mehr einladen, geschweige denn zum Essen. Dieser penetrante Uringeruch vertreibt jeden gesunden Appetit und treibt Euch hoffentlich baldigst zum Tierarzt.
Unkastriert wird Euer Katerchen auch jede Gelegenheit nutzen, sich ein Revier zu suchen, in dem er Kätzinnen begatten kann. Er wird sich mit Rivalen anlegen, es gibt Kämpfe und Beißereien. Es fließt Blut, Krankheiten übertragen sich und Euer Tierarzt muss ständig Abszesse behandeln. Mit gar nicht wirklich viel Pech verschwindet er auf ewig. Sein Sexualtrieb ist stärker als seine Liebe zu Euch.
Nicht kastrierte Kätzinnen werden Euch in der Zeit der Rolligkeit den Schlaf und den Verstand rauben. Sie leiden wirklich bis zu 2 Wochen. Sie schreien, heulen, rollen sich hin und her und wissen gar nicht mehr, wohin mit sich.
Wusstet Ihr, dass Kätzinnen bereits mit 4 Monaten schwanger werden können? Da sind sie ja selbst noch Babys.
Ganz klar ist, solange Katzen nicht kastriert sind, gehören sie nicht ins Freie.
Auf dem Bauernhof
Auf Bauernhöfen und in Reitställen werden Hengste, Bullen oder männliche Schweine ganz selbstverständlich kastriert, das Leben in der Herde oder mit den Menschen wäre durch den vehementen Sexual- und Beherrschungstrieb nahezu unmöglich. Auch hier ist die Zucht eine Ausnahme.
Sterilisation, Kastration, was ist denn jetzt der Unterschied?
Eine seltsame Theorie hat sich seit Jahren verbreitet: „Männliche Tiere werden kastriert, weibliche sterilisiert.“ Das ist absoluter Quatsch.
Fakt ist:
Jedes Geschlecht kann sowohl kastriert als auch sterilisiert werden.
Kastration
Bei einer Kastration werden die Keimdrüsen entfernt. Das sind bei männlichen Tieren die Hoden, die samt Samenleiter heraus operiert werden. So verschwinden die Testosteronquelle und die Möglichkeit der Fortpflanzung für immer.
Weiblichen Tieren werden die Eierstöcke, Eileiter und oft auch die Gebärmutter entnommen. Auch sie produzieren keine Sexualhormone mehr und bleiben für den Rest ihres Lebens unfruchtbar.
Sterilisation
Die Sterilisation unterbindet oder durchtrennt lediglich die Samen- und Eileiter. Kein Organ wird entfernt und der Eingriff ist je nach Methode reversibel. Die Hormonproduktion bleibt bestehen und das Verhalten bzw. Leiden ändert sich kaum.
Eine Sterilisation dient lediglich der Empfängnisverhütung.
In medias res – Euer Hund
Beginnen wir mit unseren Mädels. In der Regel wohnen sie gut behütet und beschützt mit Frauchen und/oder Herrchen zusammen. Eine Hündin wird zweimal im Jahr läufig. Das dauert etwa zwei Wochen.
Wisst Ihr, woher der Begriff „Läufigkeit“ kommt? Eine läufige Hündin läuft weg und sucht sich einen paarungsbereiten Rüden. Sexualhormone sind nicht zu unterschätzen. Eine unkastrierte Hündin will auf Biegen und Brechen gedeckt werden. Dabei ist es ihr auch egal, ob sie ein Schäferhund und der Rüde ein Pekinese ist.
Eure Hündin wird überall in der Wohnung Spuren hinterlassen, sie ist unruhig, mag vielleicht nicht essen, aber zum einen gibt es Hundewindeln, zum anderen Eure Geduld und Zeit, zwei Wochen sind überschaubar. Macht „einfach“ einen großen Bogen um andere Hunde, dann klappt das. Viel Beschäftigung und Ablenkung ist in dieser Zeit extrem wichtig.
Durch eine Kastration erspart Ihr Euch und vor allem Eurer Hündin natürlich diese unangenehme Zeit.
Es gibt noch viele andere Vorteile einer Kastration von Hündinnen:
- Das Leben mit einem Rüden zusammen ist wesentlich einfacher.
- Nach der Operation ist eine Gebärmuttervereiterung (Pyometra) so gut wie nicht mehr möglich.
- Mammatumoren und Scheinträchtigkeit sind nach einer Kastration so gut wie ausgeschlossen, ebenfalls Eierstockkrebs und alle Tumoren im Bereich der Geschlechtsorgane.
Klar, wenn wir Menschen uns die Nieren entfernen ließen, könnten wir auch keinen Nierentumor bekommen. Lassen wir Frauen uns ohne Grund die Brüste entfernen, damit wir nicht an Brustkrebs sterben? *Ironie off*
Nun zum Rüden – Cherché la Femme
Erfahrungsgemäß hat unsere Männerwelt eine seltsame Berührungsangst beim Thema Kastration eines Rüden. Man hört, sie wollten ja auch nicht kastriert werden.
Also benötigen wir eine sachliche Betrachtung.
Fakt ist: Bei einem unkastrierten Rüden regelt oft das Hormon Testosteron sein Verhalten. Sein Sexualtrieb lässt ihn jede Erziehungsmaßnahme vergessen. Und das ist häufig ganz natürlich.
Ein paar Verhaltensauffälligkeiten:
- sexuelle Übergriffe auf andere Hündinnen oder gar auf Euch
- Appetitlosigkeit
- nur noch auf läufige Hündinnen konzentriert
- Aggressionen gegen andere Rüden
- Ungehorsam
- beständiges Markieren
- permanente Unruhe und Schnüffeln
- kommt nicht zur Ruhe
Nun können wir nicht alle Rüden über eine Hundebürste scheren. Eine Kastration ändert nicht unbedingt das Wesen eines Hundes. Viele Probleme mit dem Gehorsam oder der Konsequenz des Hundebesitzers sind bei einem Hundetrainer besser aufgehoben. Nicht alles muss mit den Hormonen zusammenhängen. Kann aber.
Der Kastrationschip
Wenn wir nicht sicher sind, was für uns alle das beste ist, können wir unserem Rüden einen sogenannten „Kastrationschip“, einen Hormonchip einpflanzen lassen. Er hemmt die Produktion des Hormons „Testosteron“. Es dauert etwa 6 bis 8 Wochen, dann ist Euer Rüde zeugungsunfähig und die Produktion des Testosterons in den Hoden ist eingestellt.
Jetzt könnt Ihr ganz ruhig testen, ob Euer Hund sexuell gesteuert ist oder beispielsweise einfach einen großen Jagdtrieb oder ein starkes Hüteverhalten hat. Es gibt noch viele dieser Verhaltensweisen, Euer Hundetrainer wird Euch leiten
Nach einer gewissen Zeit könnt Ihr Euch für Pro oder Contra Kastration entscheiden. Wird er ruhiger? Kann er besser zuhören? Hat er weniger Aggressionspotenzial? Was ist für Euren Rüden am besten?
Natürlich ersetzt eine Kastration keine Erziehung, geschweige denn, genügend Beschäftigung mit Eurem Hund.
Ein paar Risiken und Nebenwirkungen nach einer Kastration sollten noch erwähnt sein.
Das Narkoserisiko ist im Laufe der Jahre stark gesunken, neue Medikamente und Überwachungsgeräte haben mittlerweile einen solchen operativen Eingriff nahezu harmlos gemacht. Komplikationen oder eine verzögerte Wundheilung müssen allerdings immer bedacht werden.
Vereinzelt werden in Studien und Statistiken vermehrt Harninkontinenz und ein leichter Anstieg von Tumoren, Kreuzbandrissen oder Hüftgelenksarthrosen kastrierter Tiere vermutet.
Das Fell eines kastrierten Hundes kann je nach Alter weich werden wie bei einem Welpen. Die Unterwolle besonders von Langhaarhunden wächst verstärkt und ist recht schwer zu pflegen.
Ein kastriertes Tier, egal ob Hund oder Katze, hat einen reduzierten Energiebedarf, wird merklich ruhiger, inaktiver und im ungünstigen Fall fett. Na gut, da haben wir bei Barfego wirklich viele leckere Produkte zur Kalorienreduzierung.
Schaut Euch auch mal unser Angebot an Spielzeug oder Leinen bei unserem Kumpel Kalimero an. Wir bekommen Eure kastrierten Tiere auch ohne Gewichtszunahme satt. Viel Bewegung und die richtige Ernährung sind die Zauberwörter.
Ob Ihr nun Euer Tier kastrieren last oder nicht … nun … Eure Entscheidung. Und niemand kann Euch zu was zwingen. Es sind Eure Tiere.